Harry Leupold wuchs in Dresden Neustadt auf. Er besuchte bis zur deren Schließung die Jüdische Schule nahe der Brühlschen Terrasse am Altstadtufer. Sein Vater Alfred Leupold (*1894 †1942), Lackierer, wurde in der psychiatrischen Anstalt in Dobřany (deutsch: Wiesengrund), Tschechien im Zuge der Euthaniegesetzgebung (T4) durch die Nationalsozialisten umgebracht; weil war nicht bereit war, sich von seiner jüdischen Ehefrau Linda Leupold, geb. Penzel, zu trennen.
Bildunterschrift: Familie Leupold, 1944 Dresden Neustadt, Alaunplatz, v.l.n.r. Harry (*1928 †2013), Linda (*1901 †1981), Aron (*1934 †1947), Hans (*1929 †2017)
Foto: Lentzsch, Dresden 6oB9523
Harry lernte den Beruf des Malers und wurde der Vertraute seiner Mutter. Er musste sehr früh die Rolle des Versorgers übernehmen: für seine Mutter, die als Putzmacherin nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen konnte, und für seine zwei jüngeren Brüder, Hans (*1929 †2017) und Aron (* 1934 †1947), der kurz nach dem Krieg in Bad Schandau in der Elbe an einem Herzschlag starb. Viele jüdische Familienangehörige waren in Konzentrationslager nach Auschwitz und Sachsenhausen verschleppt und dort umgebracht worden. Die für den 14. Februar 1945 anberaumte Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt für die drei Brüder und ihre Mutter wurde durch die Bombenangriffe der Royal Air Force und US Air Force am 13. Februar 1945 verhindert, da das Dresdener Gestapo-Gebäude einen Volltreffer erhielt und viele Unterlagen verbrannten, so auch deren Deportationsbefehl. Harry wurde noch kurz vor Kriegsende 16 jährig zum Volkssturm nach Karlovy Vary (Karlsbad) zum Kampf gegen sowjetische Panzereinheiten eingezogen. Um nicht in dem aussichtslosen Kampf zu fallen wie viele seiner Altersgenossen desertierte er und lief nachts allein zu Fuß zurück in die fast 200 Kilometer entfernte, ausgebombte Heimatstadt Dresden. Nach Kriegsende verschwand Harrys langjähriger Jugendfreund aus der Nachbarschaft in der Dresdner Neustadt, Wolfgang Andrechs, in einem Arbeitslager in Sibirien.Eine der glücklichsten Zeiten Harrys jugendlichen Leben war die Zeit der „Walz“ (Gesellenwanderung) nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Er wanderte mit seinem gleichnamigen Freund Harry 1948 von Kap Arkona bis zum Bodensee, wo er bei der Malerfirma Leonhards auf der Insel Reichenau als Geselle längere Zeit arbeitete. Der Familie Leonards blieb er zeitlebens in Freundschaft verbunden, auch wenn die Teilung Deutschlands von 1961 bis 1989 nur einseitige Besuche zuließ.Am 17. Juni 1953 bestand Harry an der Kunsthochschule in Berlin Weißensee die Aufnahmeprüfung und studierte Bühnenbild bei Professor Heinrich Kilger. Zu seinen Kommilitonen gehörten unter anderem der Bühnenbildner Horst Sagert sowie der Grafiker und Illustrator Horst Hussel. Das Zeichnen lag Harry, insbesondere perspektivische Darstellungen für Bühne und Spielräume. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Bühnenbildner für das Theater der Stadt Brandenburg und das Staatstheater Schwerin begann Harry 1965 seine Arbeit als Filmszenenbildner des DEFA-Studios für Spielfilme in Potsdam-Babelsberg, zunächst als Assistent für Alfred Hirschmeier bevor er eigenständig Filme übernahm. Eine künstlerische Nähe fühlte er vor allem zu neorealistischen Filmen, wie Fahrraddiebe, Regie: Vittorio De Sica, und La Strada Regie: Federico Fellini, welche sich realitätsnah und sozialkritisch den Geschichten der Menschen auch aus ärmeren Schichten widmeten. Harry Leupold vertrat die Auffassung (und folgte damit seinem Mentor Kilger): Szenenbilder sollten Spuren des gelebten Lebens aufweisen und dadurch die Filmgeschichten unterstützen, bis hin zur kompletten Unauffälligkeit. Gestalterisch galt seine Vorliebe unter anderem den Farben der italienischen Künstler: Pompejanisch Rot und Siena Braun gehörten dazu. In der Hochschule in Weißensee lernte er die Modestudentin Willfriede Lotz (*1922 †2012) aus Lübtheen kennen, sie heirateten 1958 und bekamen drei Kinder: Matthias, (*1959), www.matthiasleupold.com , Christiane und Mirjam, Zwillinge ( *1962).
Fast fünfzig Jahre lebten sie im Prenzlauer Berg im Kiez zwischen Schönhauser, Storkower und Greifswalder Straße bevor sie als Rentner auf ihr Grundstück nach Erkner in die Freiligrathstraße zogen. Harry fühlte sich in der DDR zu Hause – die innerdeutsche Mauer fühlte sich für ihn wie ein sicherer Schutz an. Politisch stand er bis 1946 der Sozialdemokratie nahe und war dann Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und später der Nachfolgepartei PDS. Er engagierte sich in der Gewerkschaft für kollegiale Belange und nahm regelmäßig an den Übungen der Kampfgruppe der DEFA teil.
1982 wurde sein Sohn Matthias 1982 von Ministerium für Staatssicherheit der DDR verhaftet und siedelte schließlich 1986 legal nach Westberlin über. Trotz bestehender Verbote staatlicherseits traf sich Harry mit ihm mehrfach bei Dienstreisen ins „nichtsozialistische Ausland“ u.a. in Bern, Westberlin und Hamburg.
Als im November 1989 die innerdeutsche Mauer fiel, brach für Harry eine Welt zusammen. Das DEFA-Studio, seine zweite Heimat, löste 1991 den größten Teil der Verträge, auch Harrys Beschäftigungsverhältnis, bevor die „Filmfabrik“ 1992 verkauft wurde. 62jährig musste Harry Leupold sein langjähriges Atelier im DEFA-Studio kurz vor Renteneintritt räumen.
Angst und Unsicherheit, die seine Jugend überschattet hatten, kehrten für ihn zurück. ml
Harry Leupold grew up in Dresden Neustadt. Until its closure, he was educated at the Jewish School near the Brühlsche Terrasse on the banks of the Old Town. His father Alfred Leupold (*1894 †1942) was murdered in Dobřany (German: Wiesengrund), Czechia 1942 as part of the Nazi euthanasia program (T4). Harry became the confidant of his mother Linda (1901-1982) and took over the role of provider for his two younger brothers, Hans (*1929 †2017) and Aron (* 1934 †1947), the youngest of whom, died of a heart attack in Bad Schandau in the Elbe shortly after the end of the World War II . Other family members had been deported to concentration camps (Auschwitz und Sachsenhausen). Harry’s longtime childhood friend from the neighbourhood was Wolfgang Andrechs, who died in Russia after the war. One of the happiest periods of Harry’s youth were his „journeyman years“ after the end of the Second World War. In 1948 he hiked with his friend of the same name Harry from Cape Arkona to Lake Constance, where he worked as a journeyman for a long time at Leonhard’s painting company on the island of Reichenau. He remained a lifelong friend of the Leonards family, even though the limited travel opportunities after the division of Germany from 1961 to 1989 allowed only one-way visits. On 17th June 1953 Harry passed the entrance examination at the Berlin Weißensee Art Academy and studied stage design. Drawing was his speciality, especially perspective representations for stage and playrooms. He was particularly attracted to neo-realist films such as Bicycle Thieves (directed by de Sica) and La Strada (directed by Fellini) and the colours of Italian artists: Pompeian red and Siena brown were among them. Here he met the fashion student Willfriede Lotz (1922-2012) from Lübtheen, they got married in 1958 and had three children: Matthias *1959 (www.matthiasleupold.com), Christiane and Mirjam, twins *1962. They lived for almost fifty years in the Prenzlauer Berg neighbourhood between Storkower and Greifswalder Street before moving to their property in Erkner in the Freiligrathstrasse after retirement. Harry Leupold felt at home in the GDR – the inner German wall felt like a safe shelter for him. When his son was arrested by the State Security in 1982 and left for West Berlin in 1986, a world collapsed for him. In 1989 he experienced the fall of the Berlin Wall. DEFA, his second home, cancelled all his contracts in 1991, and at the age of 62 he had to vacate his long-standing studio in the DEFA Studio for Feature Films in Babelsberg before he could retire. The fear and the insecurity that had overshadowed his youth returned. ml